Wissenswertes über den Harzer-Edel–Roller
Bis aus dem Kanarengirlitz Serinus Canaria aus der Familie der Finken der heutige Gesangskanarienvogel wurde, ist ein weiter züchterischer Weg zurückgelegt worden.
Aus seiner Urheimat, den Kanarischen Inseln, Madeira und den Azoren, wurden die kleinen Girlitze von spanischen Eroberern, Soldaten, Seeleuten und Händlern ab dem Jahre 1496 nach Spanien gebracht. Damals schon bestachen die kleinen Sänger und erreichten eine große Beliebtheit. Wegen der abenteuerlichen und langen Seereisen konnten nicht genügend Vögel zum Festland gebracht werden. Die Preise für die Tiere stiegen so hoch, dass nur reiche Leute sich Kanarien leisten konnten. Sie wurden zum Geschenk für die Damen, und zwar in reich verzierten Prachtkäfigen.
Spanische Mönche begannen dann mit der Zucht der Kanarienvögel. Bald konnten sie mit den nachgezüchteten Tieren einen schwungvollen Handel treiben. Die Vögel wurden dann über die Landesgrenzen hinweg verkauft, so nach Italien, Frankreich und England. Weibchen wurden keine verkauft, um keinem die Möglichkeit zu geben, ebenfalls zu züchten. So war die Zucht bis ca. 1600 in spanischer Hand.
Weitere Stationen der Haustierwerdung erfuhr der Kanarienvogel dann in Italien, wo auch die ersten Veränderungen der Farben (Mutationen) entstanden. Etwa zur gleichen Zeit kamen die Vögel auch nach England, wo sehr viel Wert auf äußere Merkmale gelegt wurde. So entstanden die Positurrassen, von denen viele in England ihren Ursprung haben. Während der Hugenottenverfolgung kamen dann auch Kanarienvögel verschiedener Färbung nach Holland, Deutschland und in die Schweiz.
Ende 1600 kam es schon zu Zuchten in Tirol, weil die Bergarbeiter bald erkannten, dass mit der Zucht des Kanarienvogels ein lohnender Nebenverdienst möglich war.
Der Bergbau ging zurück und die Zucht wurde durch die gestiegene Nachfrage in Europa zum Broterwerb. Es entwickelte sich durch die günstige Lage in Tirol eine Zucht- bzw. Handelszentrale.
In der Operette „Der Vogelhändler" wurde den Tiroler Vogelverkäufern ein Denkmal gesetzt. Bis zu 200 Kanarienvögel wurden in Holzbauern auf Rückengestellen (Reff) durch ganz Europa getragen.
Den Tiroler Züchtern kam es vor allem auf den schönen Gesang der Kanarienhähne an. Man kam auf die Idee, den jungen Hähnen den Schlag der Nachtigall beizubringen. Nachtigallen wurden als Vorsänger gehalten und die jungen Kanarien lernten mehr oder weniger deren Gesang nachzusingen. Das waren die sehr begehrten „Nachtigallenschläger".
Der Harzer RollerDie Tiroler Bergleute brachten den Kanarienvogel zum Anfang des 19. Jahrhunderts auf der Suche nach Arbeit mit in den Harz.
Die Städte Europas und ab 1842 auch Amerikas wurden dann von hier aus mit Kanarienvögeln beliefert. Der „weltberühmte Harzer Roller oder Edelroller" stammte also ursprünglich aus den Tiroler Zuchten.
Die Zucht von gesanglich besonders guten Vögeln wurde bevorzugt betrieben. Die Vollkommenheit sollte im arteigenen Gesang liegen. Die Zucht der Harzer Edelroller hatte um die Jahrhundertwende ihren Höhepunkt. Von 1880 bis 1914 wurden unbegreiflich hohe Exportzahlen (mehr als eine Million) erreicht.
Züchter wie Wilhelm Trute und Heinrich Seifert aus St. Andreasberg sind so bekannt geworden, dass sie noch heute in Fachzeitschriften Erwähnung finden.
Die ZuchtrichtungenNeben den hauptsächlich in Deutschland gezüchteten Gesangskanarienvögeln wurden in anderen Ländern andere Richtungen der Zucht eingeschlagen. In England wurden Vögel mit besonders figürlichen Merkmalen gezüchtet, in Frankreich und in Holland die frisierten Kanarien. Dann erlangten auch die Farbkanarien eine große Beliebtheit. Das wichtigste Ereignis in der Farbkanarienzucht war das Einkreuzen des Kapuzenzeisigs, der den Traum vom roten Kanarienvogel realisierte. Nur ein geringer Prozentsatz der Mischlinge war fruchtbar. Dennoch gelang es in jahrelanger Zuchtarbeit zwischen 1915 und 1925 einigen deutschen Züchtern, vor allem dem in Ostpreußen lebenden Bruno Matern. In Holland und Belgien wurde die Farbkanarienzucht allerdings viel intensiver betrieben, so dass hier die Spitzenzuchten zu finden sind.
Die heute existierende Einteilung ist
- Gesang-, (Gesang, -Farbengesang,- Positurgesangskanarien, Timbrado und Wasserschläger)
- Positurkanarien
- Farbkanarien
Einige Züchter bemühen sich mit Erfolg, den Gesang sowohl in Farb- als auch in Positurkanarien zu integrieren. Die Erfolge sind bei den Ausstellungen zu hören und zu sehen.
Die GesangkanarienHeute werden verschiedene Zuchtrichtungen für den Gesangkanarienvogel von den Züchtern gepflegt und ausgestellt.
Diese Zuchtrichtungen sind im Deutschen Kanarienzüchterbund (DKB) in der Fachgruppe Gesang die Harzer Roller, auch als Gesangsfarbenkanarien, Gesangspositurkanarien, die belgischen Wasserschläger und der spanische Timbrado.
In der Vereinigung für Zucht und Erhaltung einheimischer und fremdländischer Vögel (VZE) werden Gesangskanarien, Farbengesangskanarien und Positurgesangskanarien der Rasse Originaltyp Harzer Roller betreut.
Für alle Gesangsvögel gilt, in erster Linie wird das Lied des Kanarienvogels gepflegt. Die Farbe bzw. die Statur folgt dann. Dies gilt für den „Harzer", den "Wasserschläger" und den „Timbrado".
Bei den Gesangsfarben- und den Gesangspositurkanarien ist natürlich auch auf die entsprechenden Positionen in Farbe und Positur zu achten. Beim spanischen Timbrado sind auch alle Farben (außer rot) und Haubenvögel zugelassen.
Die Zucht der GesangsvögelDie Zucht der Gesangskanarien erfolgt so wie bei allen anderen Kanarienrassen in Zuchtkäfigen und in Volieren. Es wird nach verschiedenen Zuchtmethoden verfahren.
Die Paarhecke:Ein Zuchtpaar wird in einen Zuchtkäfig eingesetzt und bleibt während der gesamten Zuchtzeit zusammen. Ein gut harmonierendes Paar bleibt so von der Eiablage bis zur Selbständigkeit der Jungtiere beieinander.
Die Wechselhecke:Hie wird ein Weibchen in einen Zuchtkäfig gesetzt und bis zum Nestbau ohne Hahn belassen. Wenn der Nestbau fast beendet ist, kommt der für diese Verpaarung vorgesehene Hahn zur Paarung zum Weibchen. Nach erfolgter Paarung wird der Hahn aus dem Zuchtkäfig entfernt. Dieser Vorgang wird wiederholt, bis das Gelege des Weibchens vollzählig ist. Bei dieser Zuchtmethode können mehrere Weibchen mit einem Hahn verpaart werden. Sie dürfte die heute gebräuchlichste Methode sein.
Die Volierenhaltung:Dieses Zuchtverfahren wird heute nur noch selten angewandt. Ein Hahn wird zu mehreren Weibchen in eine Voliere gesetzt und bleibt in der gesamten Zuchtzeit in der Voliere. Mehrere Hähne sollten auch bei größeren Volieren nicht eingesetzt werden, da sie sich intensiv bekämpfen und die schwächeren Tiere nicht selten zu Tode kommen. Deshalb ist eine Paar- oder Wechselhecke vorzuziehen, um die notwendige Ruhe bei der Zucht zu gewährleisten.
Die Haltung der Gesangskanarien nach der ZuchtNach der Zucht erfolgt die Haltung der Vögel bis nach der Mauser in großen Flugkäfigen oder in Volieren. Dabei werden gewöhnlich die Alt- und Jungtiere getrennt gehalten. Die Alttiere werden je nach den Möglichkeiten, die der Züchter hat, nach Hähnen und Weibchen getrennt, damit die Tiere nicht noch mit weiteren Zuchten beginnen und die weitere Entwicklung (besonders der Mauserablauf) in Ruhe ablaufen kann. In den meisten Zuchten ist zum Ende des Monats Juli die Zucht abgeschlossen.
Die Jungtiere werden gemeinsam in Flugkäfigen oder Volieren gehalten, bis die Junghähne mit dem Studium des Gesanges beginnen. Dann werden sie in den meisten Zuchten in separaten Flügen gehalten, um ihnen die Möglichkeit zu geben, in Ruhe ihren Gesang zu entwickeln Der Züchter verfolgt diese Entwicklung sehr sorgfältig, um eventuelle „Fehltouren" frühzeitig zu erkennen und diese Hähne aus dem Flug zu nehmen. Sie werden weiter beobachtet und bei einer weiteren Verschlechterung des Gesanges abgegeben. Bei den Junghähnen in Volieren oder Flug wird dann langsam die tägliche Futterration auf die Fütterung zum Training umgestellt, damit die Vögel beim „Einbauern" an dieses Futter gewöhnt sind.
Die jungen Weibchen bleiben in der Voliere oder Flugbauer bis zur Auswahl für Zucht und Abgabe.
Vorbereitung der Junghähne für die PrämierungAnfang bis Mitte Oktober (je nach Gesangsentwicklung auch später) werden die Junghähne auf die Prämierung vorbereitet. In den meisten Zuchten werden die Flüge durch Schieber verkleinert, um die Vögel langsam an einen kleineren Raum und Einzelhaltung zu gewöhnen. Bei anderen Züchtern werden die Junghähne einzeln in die Zuchtboxen gesetzt. Die Junghähne werden einzeln gesetzt um ein sich entwickelndes aggressives Verhalten untereinander zu unterbinden. Dieses aggressive verhalten wirkt sich direkt auf die Qualität des Gesangs aus Nach dieser Umstellung auf die Einzelhaltung der Vögel erfolgt das Einbauern in die Trainings- bzw. Transportbauer. Die Lichteinstrahlung wird reduziert und die Temperatur niedrig gehalten, damit der jahreszeitlich angepasste Rhythmus des Vogels auch bei Zimmerhaltung möglichst wenig gestört wird.
Die für eine Prämierung vorgesehenen Kanarienhähne werden nun daran gewöhnt auf „Kommando" ihren Gesang vorzutragen. So wird eine zügige Abwicklung der Prämierung erreicht. Bei Tagesanbruch singen in der natur die Vögel besonders „fleißig". Dieser Tagesanbruch wird für die Gesangskanarienhähne dadurch simuliert, dass man kurzzeitig so abdunkelt, damit der Vogel seinen Gesang einstellt. Beim Training wird die Kollektion (4 Vögel) dann bei vollem Licht aufgestellt. Nach einer kurzen Eingewöhnung an die geänderte Haltung singen alle 4 Vögel. Futter und Wasser stehen natürlich immer in ausreichender Menge zur Verfügung.
Die PrämierungDie zur Prämierung eingelieferten Vögel werden in einem besonderen Tragekasten für jeweils eine Kollektion zur Bewertung gebracht. Diese Tragekästen werden in besonderen Aufbewahrungsräumen bei eingeschränktem Licht abgestellt. Durch eine tageweise Einlieferung (bei großer Teilnehmerzahl) ist sichergestellt, dass keine langen Aufbewahrungszeiten für die Tiere notwendig sind. Vor der Prämierung einer Kollektion wird diese ca. 30 Minuten lang durch öffnen der Klappen mit mehr Licht versorgt, so dass die Vögel Futter und Wasser aufnehmen können und dies nicht während der Prämierung tun. Das kurzzeitige Verdunkeln vor der Prämierung ist kein „Dauerzustand. Nur vor einem Training bzw. vor einer Prämierung wird so verfahren. 30 Minuten werden die Vögel beim Preisrichter vorgeführt. Ist die Prämierung beendet, werden die Tiere in ihren besonderen Tragekästen in die Aufbewahrung gebracht, wo sie bei geöffneter Vorderseite darauf warten, abgeholt zu werden. Auch die Abholung erfolgt tageweise.
Die Käfiggröße (Einsatzbauer)Bezüglich der Gesangskäfige muss zunächst einmal festgestellt werden, dass es sich hierbei lediglich um Trainings- und Transportbauer handelt, die nur zu diesem Zweck für eine möglichst begrenzte Zeit verwendet werden sollten. Eine Dauerhaltung in einem so kleinen Käfig wird auch von uns Gesangskanarienzüchtern abgelehnt. Der Gesangsbauer ist für den Kanarienvogel nichts anderes, als z.B. der Transportanhänger bzw. die Box für das Turnierpferd oder der Transportkasten für Hund oder Katze. Sinn dieses Käfigs, für den zwei Sitzstangen vorgeschrieben sind, und des dazugehörigen Transportkastens ist, dem Vogel bei ausreichenden Platzverhältnissen ein Höchstmaß an Schutz vor Temperaturschwankungen , Luftzug und Stoßgefahr während des Transports und auf den Ausstellungen zu geben. Dabei muss der Transportkasten so dimensioniert sein, dass der Züchter ihn handhaben kann, ohne Gefahr zu laufen, ständig beim Ein- und Ausladen anzustoßen. So soll der Transport- und Ausstellungsstress möglichst niedrig gehalten werden.
Anders als bei Ausstellungen im benachbarten Ausland oder bei den Ausstellungen des Weltverbandes COM sind vergrößerte, genormte Gesangbauer und Transportkästen bei uns seit mehr als zehn Jahren vorgeschrieben.
Dies hat neben der Einführung einer tierärztlichen Betreuung der Ausstellungen dazu geführt, dass die Verluste durch Unfall oder Krankheit bei den Gesangskanarien auf Meisterschaften des Deutschen Kanarienzüchterbundes äußerst gering sind."
Nun zur Dauer der Unterbringung im Einsatz- und TransportbauerImmer wieder behaupten „Tierschützer", wir würden unsere Kanarienhähne zeitlebens im Transportbauer halten. Das trifft natürlich nicht zu. Tatsächlich halten wir die Kanarienhähne so kurz wie möglich in dem Transportkasten. Eingebauert werden nur die Kanarienhähne, die ab Mitte Oktober in ihrer Gesangsentwicklung so fehlerfrei sind, dass der Züchter diese zur Bewertung vorstellen will. Nur wenige Hähne können bei den meisten Züchtern diese Qualität erhalten. Daher sind im November / Anfang Dezember nur noch einige Hähne, meist 2 Kollektionen plus Reservevögel (ca. 10 bis 12 Hähne), im Gesangsschrank des Züchters. Alle anderen Hähne sind zu diesem Zeitpunkt schon in Flügen oder Volieren untergebracht.
Diese Prämierungen finden im Übrigen nur im 1.Lebensjahr eines Gesangshahnes statt, da mehrjährige Gesangshähne traditionell nicht ausgestellt werden.
Strenge Ausstellungsrichtlinien und deren Überwachung unterstützen das Bemühen der Züchter, die Vögel durch die Ausstellung nicht mehr als unbedingt nötig zu belasten. Für die tierschutzgerechte Unterbringung der Vögel auf den Ausstellungen spricht, dass bisher alle der einmal pro Jahr stattfindenden Meisterschaften den behördlichen „Segen" erhalten haben.
Ein 500 Jahre altes Stück Kultur in Europa präsentieren unsere Gesangskanarien. Wir hoffen als aktive Züchter und Aussteller „unserer Lieblinge", das diesem Stück Kultur noch weitere 500 Jahre hinzukommen. Alle Züchter des Gesangskanarien- Vogels „Harzer Roller" und anderer werden sich bemühen, unter optimalen Zucht- und Haltebedingungen die Tiere zu halten. Dazu gehören natürlich alle oben beschriebenen Verhaltensregeln.
Vielen Liebhabern des Kanariengesangs gibt dieser Vogel Freude und Entspannung nach der Hast und Anstrengung des Tages. Das beweisen unter anderem die vielen an Liebhaber abgegebene Vögel.